Rückblick auf die schweren Gewitter vom 12. Juni 2020

Am Abend des 12. Juni 2020 zog eine Gewitterlinie im Vorfeld eines Frontensystems, das sich meridional über dem Osten Frankreichs erstreckte (Abb. 1, links), von Frankreich her nach Luxemburg. Östlich der Frontalzone war eine feucht-warme Luftmasse vorherrschend, die eine mäßige Labilität über der Großregion besaß (CAPE um 800 J/kg; vgl. Abb. 1, rechts). Zudem war die Höhenströmung sehr dynamisch, was für ein erhöhtes Risiko von unwetterartigen Begleiterscheinungen sorgte. Eine starke Änderung der Windrichtung und -geschwindigkeit zwischen dem Boden und 600 hPa bzw. 4300 m Höhe war im Süden von Luxemburg präsent (Abb. 1, rechts).

Abbildung 1: Bodenanalyse des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 12. Juni 2020 um 17:00 Uhr Ortszeit (links). Ein Vertikalprofil der Atmosphäre am 12. Juni 2020 um 17:00 Uhr Ortszeit für einen Standort im Süden Luxemburgs (rechts) berechnet vom numerischen Wettermodell des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen (EZMW), das am 12. Juni 2020 um 14:00 Uhr Ortszeit initialisiert wurde. Die rote/grüne Linie zeigt die Temperatur/den Taupunkt, die weiße Linie zeigt die Aufstiegstrajektorie eines bodennahen Luftpakets und CAPE (Convective Available Potential Energy) ist durch die gelbe Fläche dargestellt. Die weißen Pfeile zeigen die Richtung und Geschwindigkeit des Windes (in Knoten).


Das Gewittersystem über Luxemburg hatte seinen Ursprung in einer Gewitterzelle, die sich in einer Wolkenmasse westlich von Nancy gegen 17:45 Uhr Ortszeit bildete. Anschließend dehnte sich das Multizellengewitter in östlicher Richtung aus (Neuentwicklungen zur labilen Luftmasse hin) und näherte sich allmählich der luxemburgischen Grenze. Die kräftigsten Gewitter zogen dann über den Süden und das östliche Zentrum des Großherzogtums (Abb. 2, links), begleitet von einer starken Blitzaktivität (Abb. 3). Aufgrund der ausgeprägten Dynamik in den tiefen und mittleren Atmosphärenschichten konnte sich zwischen 19:10 und 19:20 Uhr Ortszeit eine im Gewittersystem eingelagerte Mesozyklone (ein beständiger und hochreichend rotierender Aufwind) entwickeln (Abb. 2, rechts). Entlang der Zugbahn dieser Mesozyklone wurde markanter Hagelschlag beobachtet mit einem maximalen Korndurchmesser von etwa 3 cm im Raum Berdorf und Reisdorf. Das erhöhte Hagelrisiko war auch deutlich anhand der extremen Niederschlagsintensitäten in den Radarbildern zu erkennen (Reflektivität von bis zu 67 dBZ; Abb. 2, links).























Abbildung 2: Animation der Niederschlagsradarbilder (Reflektivität in dBZ) vom 12. Juni 2020 18:30 bis 20:45 Uhr Ortszeit (links). Animation der Niederschlagsradarbilder (Radialgeschwindigkeit in m/s; die positiven Werte zeigen eine Bewegung vom Radarstandort weg und die negativen Werte eine Bewegung zum Radarstandort hin) vom 12. Juni 2020 19:07 bis 20:07 Uhr Ortszeit (rechts). Die Position der Mesozyklone ist durch einen gelben Kreis hervorgehoben. Datenquelle: Niederschlagsradar in Neuheilenbach (Deutschland).


Darüber hinaus verstärkte sich zusehends der Wind beim Aufzug der Gewitterlinie, was auf den Kaltluftausfluss bzw. auf die damit verbundene Böenfront zurückzuführen ist. An der Wetterstation am Flughafen Luxemburg-Findel wurde eine Windspitze von rund 59 km/h beim Durchgang des Gewitters gegen 19:35 Uhr Ortszeit gemessen. Ähnliche Maximalwerte zwischen 50 und 70 km/h wurden von Wetterstationen gemessen, die den Messnetzen des Wetterdienstes der Verwaltung der technischen Dienststellen für Landwirtschaft (ASTA, AgriMeteo) und der Kachelmann Group angehören. Jedoch trat gegen 19:40 Uhr Ortszeit ein extremes Windereignis in der Region von Grevenmacher auf, wo signifikante Schäden beobachtet wurden. Die Wetterstation in Grevenmacher, welche vom Wetterdienst der ASTA betrieben wird, registrierte eine Maximalböe von 118,1 km/h (32,8 m/s) zwischen 19:40 und 19:50 Uhr Ortszeit. Nach einer ausführlichen Analyse der Station und der korrekten Funktionsweise des Windmessgeräts wurde dieser Messwert von der ASTA validiert. Eine Untersuchung der Radarbilder, der Messwerte der ASTA-Wetterstation, der Augenzeugenvideos und der Vegetationsschäden erlaubte dieses Extremereignis als Fallböe zu klassifizieren. Diese Böe wurde von einer mäßig starken und eher isolierten konvektiven Zelle östlich des Hauptgewittersystems verursacht. Die Zelle entstand gegen 19:30 Uhr Ortszeit östlich der Mosel über deutschem Gebiet und überquerte anschließend Machtum und Grevenmacher während ihrer Verlagerung in Richtung Norden (vgl. Abb. 2, links).

Abbildung 3: Blitzdichte (Erd-/Wolkenblitze pro km2) am 12. Juni 2020 zwischen 16:00 und 22:00 Uhr Ortszeit, gemessen vom Météorage-Messnetz. Quelle: Synergie/Météo-France.